Unser Dorfkater ~ Hexenkunst oder flirtender Zeitgenießer
In unserem Dorf gab es einen allseits geliebten Kater, der
von seinen Besitzern schlicht und ergreifend bei deren Wegzug in dem Bewusstsein zurück gelassen wurde, dass es ihm auf dem Lande viel besser ginge und er das schon schaffen würde. Ob ihm dies
glücken würde, war ihnen egal und so waren sie weg und er alleine.
"Pasties", so sein Name, gelang es schnell in seiner ganzen getigerten Prächtigkeit und schnurrigen Freundlichkeit, ein paar menschliche Freunde zu finden und sich so auch durch die härteren
Winterzeiten zu schlagen.
Viele Nachbarn hatten ihn ins Herz geschlossen und hörte man den Namen „Pastis“, war klar, wer gemeint war.
So vergingen die Jahre, in denen sich Pastis(i), wie ihn manche liebevoll nannten, dem
geachteten Katerleben hingab, die Katzen beglückte, die Umgebung von Mäusen befreite, hier und da die Dorfbewohner besuchte und die schöne Dorfkaterzeit genoss, bis er plötzlich von einem auf den
nächsten Tag nicht mehr gesehen wurde.
Nach einer guten Woche der Abwesenheit fragten wir uns, ob er nicht irgendwo aus Versehen eingesperrt worden wäre, weil ihn seine Neugierde hier und da auch in Keller oder Verschläge
lockte.
Wir hofften jedoch, dass die aufregende Inspektion der anliegenden Höfe und Katzendamen seine volle Aufmerksamkeit in Anspruch nahm und er eben einfach mal die Zeit vergaß.
Jenen freundlichen Kameraden gerade überhaupt nicht in meine Hirnwindungen integrierend, fuhr ich, nichts ahnen, durch eine Straße, die rechts und links durch Felder und Wald begrenzt war und
entdeckte plötzlich am Seitenstreifen ein großes Tier. Ich stieg aus und war geschockt.
Da lag "er", prächtig, kräftig, groß, markanter Kopf und leider …tot, wahrscheinlich angefahren!
"OH nein, bitte nicht. „Du „blöder“ Kater, warum passt du denn nicht auf- du hast dich doch noch nie mit Autos angelegt?“ sagte ich liebevoll zu ihm und es erfüllte mich eine betroffene,
traurige Stimmung.
Ihn dort wie einen räudigen Kater liegen zu lassen, wollte ich auf keinen Fall und so lud ich ihn in mein Auto.
Beim Erreichen des nächsten Hofes hielt ich an und fragte Lars, jenen Nachbarn, ob er auch
denken würde, dass es unser - in viele Herzen geschlossener- Dorfkater sei.
Auch Lars meinte, dass viel dafür spräche.
Ziemlich zerknirscht fuhr ich mit Pasties zurück und versprach ihm in Gedanken, eine schöne Beerdigung.
Im 16ten Jahrhundert hätte man mich beim Beobachten dieser Tat wahrscheinlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt, denn ich startete dieses Vorhaben in der beginnenden Dämmerung. Das weiße Licht des
Vollmondes gab einen fast mystischen Blick auf die feuchte Waldwiese frei, die ich mit Gummistiefeln mindestens 15 Minuten durchlief. Es war ganz ruhig, über meiner Schulter trug ich den Jutesack
mit Pasties und in der anderen Hand einem Spaten.
Nahe an einem kleinen Bach fand ich dann endlich ein angemessenes Plätzchen, grub ein tiefes Loch, bettete es mit Blättern aus, legte den großen, felligen Freund hinein und begrub ihn. Das
Bächlein plätscherte und ich fand, dass es ein schönes Plätzchen war.
Nachdem ich noch ein paar angebrachte Katerworte sprach, lief ich traurig zurück, und setzte mich mit einem Freund danach auf den Dachboden einer Scheune ins Stroh. Wir setzten uns mit baumelnden Beinen in die weit geöffnete Luke, die zum Hof wies, guckten zum klaren, vollen Mond empor und zum angrenzenden Wald in der Ferne, redeten über Pastis und die Situationen, die wir mit ihm erlebten und lauschten in Gedanken versunken dem Zirpen der Grillen…
Und was soll ich sagen?
Plötzlich guckten wir nach rechts und wer kam dort angeschlender? „Mister old Pastisi“ mit erhobenem Kopf in ganzer Pracht, völlig intakt und wahrlich nicht von den Geistern auferstanden- es sei denn ich hätte doch Hexenkräfte.
Ich war so perplex, erfreut, verwirrt, erleichtert und plötzlich ging es gar nicht anders, als schallend loszulachen.
Er lebte!!!! Was für eine Freude….. Doch wen hatte ich dann begraben?
Wie auch immer. Jener unbekannte Vertreter seiner Art bekam dadurch zumindest eine der schönsten Katzenbeerdigungen, die man sich denken kann, wie ich fand.
Autorin: © Elke Paland * Foto: © Elke Paland