Na gut, die Wollust war nun nicht gerade jenes Thema, dem sich Frieda annehmen wollte, aber da Sie ja ihre Orakelzeitreise aus dem Grunde angetreten hatte zu prüfen, wie es im 21. Jahrhundert mit der Sündenwelt bestellt war, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihr Augenmerk auf die 3te jener Sünden zu richten.
Es war ihr ein wenig peinlich und sie genierte sich auch, diesem Punkt näher auf den Grund zu gehen, aber wer A sagte, musste auch
bei B durchhalten.
So landete Frieda nun im 21. Jahrhundert in Hamburg, in das sie durch das Orakel „geschubst“ wurde und war im Prinzip schon in
Erwartung, diese Sünde garantiert auch anzutreffen. Immerhin waren die Eifersucht, die Habgier und der Geiz leider ganz klar vertreten.
Lange dauerte es nicht, die ersten Anhaltspunkte zu finden.
So lief sie an einem Stand vorbei, auf dem sehr viele bunte und schwarzweiße Papierstapel mit gedruckten Lettern darin lagen, die
die Menschen kauften. Auf manchen von ihnen waren Weibsbilder abgebildet, die völlig entblößt von jedem, der vorbei kam, angesehen werden konnte. Frieda geriet fast in einen Schockzustand der
Peinlichkeit.
Völlig versteinert und starr lief sie weiter, hatte dieses Bild kaum verkraftet, da entdeckte sie den Laden von einer Beate, die sich entschlossen hatte, für die wollüstige Fleischesgier Spielzeug herzustellen und es zu
verkaufen. Das war ja fast schon nicht mehr auszuhalten!
Frieda beschloss sich einen Gerstensaft zu kaufen, um ihre Nerven zu beruhigen. Leider fand sie zwar eine Kneipe, aber so wirklich
wohl fühlte sie sich dort nicht. Alles war irgendwie in rotes Licht getaucht und scheinbar schien die Decke abgestützt werden zu müssen, denn sie wurde überall mit Stangen verstärkt.
Der Wirt sah auch nicht aus, wie ein zünftiger Kerl, sondern eher wie eine Frau. Dennoch hatte er oder sie eine tiefe Stimme? Sie
war sich nicht sicher und versuchte ihn, nicht allzu auffällig, aber dennoch intensiv unter die Lupe zu nehmen. So suchte Frieda nach Bartstoppeln, Brüsten, guckte sich die Hände an und den Hals.
Da war eindeutig ein Adamsapfel, aber da waren auch Brüste. Als sie gerade dabei war diesen Jack, wie er sich nannte, zu betrachten, entschlossen sich drei junge Frauen, auf das Minimalste
bekleidet, die Deckenstützen zu untersuchen und sich wie Schlangen darum zu wickeln. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Waren die gelenkig! Frieda, in ihrer Welt eigentlich eher tollpatschig,
stellte sich vor, dass sie nicht mal geschafft hätte, diese kalten Metallstangen zu erreichen, geschweige denn hochzuklettern- wahrscheinlich wäre sie schon beim auf die Bühne steigen
gestolpert.
Auch wenn sie es sehr obszön fand, so schienen der Gerstensaft sie ein wenig in ihrer Starre gelockert zu haben und zur
pragmatischen Beobachterin zu machen. Ein weiterer Gerstensaft würde dieses Drama sicher erträglicher machen.
Die Kneipe oder wie auch immer sich dieses Gewerbe nannte, füllte sich und allmählich drückte der Gerstensaft in ihrer Blase. Jack
teilte ihr mit, wo sie ihre Notdurft verrichten könne und so suchte sie sich den Weg durch dieses dämmerige Sündenhaus.
Sie erreichte eine Tür, auf der in blinkendem Licht SWINGER CLUB stand. Das musste die Tür am Ende des Ganges sein, von der Jack
sprach. Doch statt Aborte vorzufinden, gelangte sie in einen Raum, in dem Männer und Frauen in irgendwelchen Ecken lagen und ….
Also nein, das ging eindeutig zu weit. Stehenden Fußes kehrte sie um und befand sich wieder auf dem Gang. Herr im Himmel, wo war
sie hier nur gelandet? Das ging gar nicht! Endlich entdeckte sie die richtige Tür und erleichterte sich zumindest von dieser Last. Sie musste hier unbedingt weg. Mit strammem Schritt lief Sie zum
Ausgang und wurde doch glatt von einem Burschen angesprochen. Zunächst sprach er so leise, dass sie ihn nicht verstand. Warum sprach er mit solch gesenkter Stimme und warum guckte er sie so
merkwürdig an? Seine Augen schienen bei dem Gespräch unhöflicher Weise die ihren nicht suchen zu wollen, hatten allerdings eine rege Freude an ihren Brüsten, denn da blieben sie förmlich
kleben.
Was haben Sie gesagt? …… Als sie es dann endlich verstand, prallte ihre stramme Bauershand –einen Bruchteil von Sekunden
später –alle fünf Finger breit gefächert (ungefähr in der Art, wie sie sie Adelheid, der trägen Milchkuh auf den Hintern hieb) auf seine Wange.
Das reichte eindeutig! Endlich an der frischen Luft, kam sie mit sich überein, dass das Orakel scheinbar eine gewisse Freude
hatte, sie auf diese verruchten Wege zu führen. Immerhin konnte es sich dann sicher sein, dass sie den „ICH WILL ZURÜCK“ Modus einstellte, um wieder in ihr 16tes Jahrhundert überführt zu werden.
Sicher gab es, so hatte ihr Brunhild, die Magd vom Waldhof einmal ganz aufgeregt erzählt, Dirnen und Freudenmädchen in größeren Orten ihrer Zeit, doch die umliegenden Dörfer und jenes, in dem
Frieda wohnte, waren von jenen Lasterstätten verschont. Brunhild erzählte, dass die Mannsbilder dort ihre teuer verdienten Taler der Fleischeslust opferten. Welch Schande und Sünde. Sie
bekreuzigten sich damals beide 3 Mal und waren sich einig, dass sie solchen Städten lieber nicht zu nahe kommen wollten, denn der Teufel war dort sicher nicht weit. Alleine der Gedanke daran ließ
Frieda damals erröten und sicher war schon das sich Vorstellen dieser Fleischeslust- Szenen ein Sündenfall.
Und nun war sie mitten drin in diesem Sodom und Gomora.
Es war nicht leicht zu verkraften, was sie in der letzten Stunde erlebte. Doch hier oben auf der Straße begegnet sie ganz normalen
Menschen. Schön verpackt in Kleidung, sittsam und brav.
Während sie nun merkte, dass ihr Magen zu knurren begann und sich nach einer Möglichkeit umsah, ein Mahl einzunehmen, blickte sie
in Läden, in denen nicht etwas ein ehrenwerter Metzger seine Wurst- und Fleischwaren darbot. Nein, in den Läden wurden weniger holde, erneut spärlich (wenn überhaupt) bekleidete Frauen gefangen
gehalten. Herr im Himmel, irgendwo würde sicher gleich Satan persönlich erscheinen, in jener rot-orangen Atmosphäre den Erdboden öffnen und alle in den Fluten der Höllenlava versinken
lassen.
Eine vorbei laufende Gruppe belauschend, erfuhr sie, dass dieses Dirnenvolk freiwillig in jene „Schaufenster“ stieg, um dann – wie
eine Ware- von einem „Lüst“ling ausgewählt zu werden.
Plötzlich hallten in Gedanken die Worte ihrer Freundin Brunhild in ihren Ohren, die mit weit aufgerissenen Augen empört und ängstlich erzählte, dass schlimme Krankheiten dort um gingen“.
Doch auch dafür hatte man hier gesorgt, denn es gab Automaten, aus denen man sich dehnbare Plastiktütchen in kleinen Folien kaufen konnte, die angeblich dagegen halfen. Das war ja wahrlich unvorstellbar- da konnte man also im 21. Jahrhundert der Sünde mit ganzer wolliger Lust nachgehen und bekam als „Geschenk“ noch mit, von Gottes Ärger verschont zu werden und mit einem unschuldigen und vergnügten Lächeln von Dannen zu ziehen?
OK, das reichte! Mal abgesehen, dass sie noch Orte entdeckte, in denen laufende Bilder gezeigt wurden, die in Silberscheiben sogar ohne die leibhaftigen Dirnen und Huren inmitten der eigenen, braven Behausungen angesehen werden konnten, gab es noch so unsagbar viel mehr, dass Sie ihre Liste mit Hinweisen schloss und mit sich übereinkam, dass diese Wurzel-Tod-Sünde kaum mehr eine Steigerung ermöglichte.
Sie wollte all das vergessen, aber gelingen würde es ihr nicht. Trotzdem dachte sie mit Freude an Gottfried, den Sohn des Schmids, den sie sich gut, als Ehegatten vorstellen konnte und auf den sie mit Freude warten würde. Sie brauchte jetzt ihre heile Welt und bat das Orakel sie bis zur nächsten „Sünden-Beobachtungstour“ zurück zu holen.
Und dann war Frieda weg.
Doch wie ich weiß, wird sie wiederkommen und dem 21. Jahrhundert in Sachen Völlerei, Zorn, Wut und Rachsucht auf den Zahn fühlen.
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