Prüfungsangst - oder wie die Zauberfee dem listigen Hirnzwerg eins über die Rübe haut

Foto © Elke Paland
Foto © Elke Paland

Wo verbirgt sie sich eigentlich, die Prüfungsangst? Wenn man dem Spruch glauben mag: "Angst essen Seele auf", in der Seele.
Aber wo ist die und wie kann man ihr klar machen, dass sie sich gerade täuscht mit diesem GEFÜHL?!!!

"Du Seele, der gegenüber kocht auch nur mit Wasser!"

"Du Seele, der gegenüber sieht nackt genauso aus, wie ich" (also fast- Tzeee).

Meine Mutter sagte mir immer, als ich mich damals als Schülerin mit diesem Problem konfrontiert sah, ich solle mir die Leute, bei denen ich diese Prüfungsanst habe, einfach nackt mit gelben Gummistiefeln vorstellen.

Allerdings kam dann zu der Prüfungsanst auch noch eine gar peinliche Vorstellung hinzu und die meine leicht errötete Seele wand sich verschüchtert ab.

Wir schreiben das Schuljahr (19.. ach ist ja egal)- 32 Schüler - Erdkunde-

nebst Erdkundelehrer:

Wenn man bedenkt, dass seine Gesicht schon ohne gelbe Gummistiefel angsteinflößende Vorstellungen bei mir auslöste, war es kein Wunder, dass meine Hirnzellen auf Stillstand und Arbeitsverweigerung umstellten.

Seine platte Nase war (aufgrund einer Kriegsverletzung)  stets mit einem kleinen weißen Tuch abdeckte und sein Haupthaar, aus Ermangelung anderer Haare, mit langem Scheitel über die kahlen Stellen gezogen, die bei zu schnellen Bewegungen auch noch ins Gesicht fielen.
Wenn er dann noch dieses vermaledeite kleine, rote Heft recht nah an seine Augen hielt und der siebte Sinn bereits signalisierte, dass er gleich M E I N E N Namen aussprechen würde, seine Augen dann nach leicht kontrolliertem Suchlauf durch die Klasse an mir hängen blieben und mir klar war, das dieser Augenstopp auch gleich die Worte ELKE aussprechen würde, war ich so angespannt, dass ich nur noch mit Gehirn- und Redeblockade reagieren konnte.

 

Einmal dachte ich, dass ich mein Hirn austricksen könne, aber es ließ mich schändlich hängen und die "3 -" war mir sicher.

 

Kennt ihr noch diese blöden, riesigen, gelb, braun, grünen Landkarten, die, je näher man ihnen kam, zu wachsen schienen?  So eine war mein Verhängnis!

Ich sollte nämlich nach Vorne kommen, was schon unangenehm genug war, und sollte mit diesem langen Stock Salzgitter auf der Karte zeigen. Da ich mir besonders pfiffig  vorkam, ließ ich (die Aufgabe ahnend) Salzgitter bereits von meinem Platz aus, nicht aus den Augen (von Ferne war die Karte noch überschaubar).

Er stellte die Frage...ich zeigte auf Salzgitter! Puh- geschafft.

Er stellte mir noch ein paar andere Fragen, die ich dann beantworten konnte, aber wozu ich mein "Augenmerk" auf ihn richten musste (bin ja höflich) und dann die Frage: Zeig doch mal Dresden und plötzlich war Dresden weg-

 

OK, dann zeig noch mal Salzgitter.... Aber Salzgitter war auch weg... (beide waren weg). Wahrscheinlich unsichtbar Hand in Hand auf dem Weihnachtsmarkt - keine Ahnung!

Und in der Zwischenzeit war ich so unsagbar aufgeregt, dass ich sowieso in die Lähmungsphase übergegangen war und diese ganzen Streifen, Striche, Farben und Worte der Karte einen Hexentanz aufführten.

 

Solche und ähnliche Dinge geschehen, wenn die Prüfungsangst durch irgendwelche Hormonausschüttungen meint, einem das Leben schwer machen zu müssen. Aber- man kann diese Hormonausschüttung ja nicht auf andere schieben. Die eigene Produktionsstätte Hirn bekommt den Auftrag und zwar von mir, meiner Seele oder wem auch immer in mir.

 

Deshalb sollte man mit sich in Verhandlung treten: Du "hömmma - Elke", die Rechenaufgaben sind hier die gleichen, wie zu Hause oder der Vortrag/ das Musikstück lief doch super, das schaffst du jetzt auch vor den Mitschülern, Zuhörern!

Aber diskutieren oder so is nich!

 Und wenn sie noch so nackt vor mir stehen und selbst, wenn sie bunte Gummistiefel anhaben, mich freundlich anlächeln, alles egal. Der Inhalt meiner gespeicherten Gedanken wird von einem kleine garstigen Hirnzwerg mit einem fetten Schlüssel hinter einer dicken Tür listig verschlossen und erst wieder heraus gelassen, wenn ich aufgegeben habe!

 

Und weil dieser Hirnzwerg berechenbar ist und seine Ankunft vorprogrammiert, kommt er auch- klar- ich denke ja an ihn und erwecke ihn dadurch geradezu zum Leben.

Wie also einen solchen Hirnzwerg am Zuschließen hindern? Vergiften, vierteilen, abmurksen, verhungern lassen?

Während dessen man vor die Menge tritt laut sagen: Hirnzwerg du kannst mich mal- ich schaff das jetzt!!!! Hirnzwerg du kannst mich mal- !!!! Hirnzwerg du kannst mich mal- ich schaff das jetzt!!!!

Dann kommen die Männer mit den weißen Jacken- das schwör ich euch!

 

OK, die ganze Geschichte ist ein wenig übertrieben, aber im Ansatz wahr - man schafft Ängste zu überwinden eben leider nur mit guten Erfahrungen und die muss man in kleinen Schritten üben, üben, üben..

Immer wieder in die doofe Situation rein gehen und versuchen- bis man merkt, weil es eben doch klappt, dass es nicht so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde und irgendwann merkt man sogar, dass die Suppe wärmer besser schmecken würde. 

 

Ich wandele also in Gedanken jenen listigen kleinen "Scheißer" in ein kleine bezaubernde "Fee" (auch wenn er das Kleid nicht anziehen mag und den Zauberstock nicht in die Hand nehmen möchte, die Lippen nicht zu einem Lächeln verziehen und die Haare nicht goldgelockt überstülpen will). ICH MACH IHN ZUR FEE !!! - so....

Und Feen helfen- so.... Und ich kann es- so....

 

Im Laufe der Jahre (diese Prüfungsangst bestand wirklich in ganz intensiver Art und Weise bei mir) habe ich sie abgelegt, kann jetzt vor großen Gruppen sprechen und lebe mit einer kleinen prickelnden Aufregung, die sein darf.

 

Der kleine Giftzwerk versucht sich zwar ab und an aus der hinteren Reihe Blick zu verschaffen, aber meine Fee haut ihm dann bildlich gesprochen den Zauberstab über die Birne und sagt, dass er gleich wieder verschwinden kann.

 

 

Ein großer Teil der Sorge besteht aus unbegründeter Furcht

 

Jean Paul Sartre

 

 

 

Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwer.

Lucius Annaeus Seneca

 

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Kommentare: 2
  • #1

    t.D. (Mittwoch, 26 August 2015 14:31)

    Das kennt wohl Jeder. Und manchmal kommt zu der Angst der Peinlichkeitsfaktor noch hinzu. Aber die Steine die uns im Weg liegen kann man auch zum Bau eines neuen Weges oder einer Brücke verwenden und sich so seiner Angst stellen. Denn wenn ich mir kein Erfolgserlebnis schaffe, werde ich auch nicht an mich glauben.

  • #2

    Birgit H. (Donnerstag, 27 August 2015 08:25)

    Köstlich geschrieben...